In den Arbeiten von Bettina Meyer geht die bildhafte zweidimensionale Auseinandersetzung mit der dreidimensionalen Auseinandersetzung Hand in Hand. Dabei bestimmt die bewegte Linie, als Impuls und als Träger ihres künstlerischen Ausdrucks, ihre Arbeiten auf Papier und in ihren Plastiken. Bettina Meyer erkundet in ihren Skulpturen nicht das Wesen eines fest gefügten Steins, vielmehr spürt sie im prozesshaften Zeichnen und Modellieren ihren eigenen Kraftlinien nach, die sich in Kohle auf Papier, im archaischen Ton, dem akademischen Gips und auch in der zeitlosen Bronze materialisieren.
Ähnlich wie bei Henry Moore, Otto Freundlich oder Hans Arp erinnert die äußere Gestalt einiger Skulpturen von Bettina Meyer an die Sinnlichkeit gewachsener Körper. Die Künstlerin versteht ihre amorphen Plastiken immer auch als Körper-formen, denen sie häufig den Titel „Form“ gibt und die sie jeweils mit durchlaufenden Nummern spezifiziert.
Einer Skulptur gab die Künstlerin den Titel „Wuchernde“. In diesem Titel spiegelt sich das künstlerische Verständnis von Bettina Meyer besonders anschaulich wider. Die vielfältigen Figurationen entwickeln sich bei Bettina Meyer immer von Innen heraus. Allen Plastiken scheint eine imaginäre stabilisierende Linie inne zu wohnen, die sich nach Außen hin aufbläht, ausstülpt, beugt und aufrichtet – ja zu wuchern scheint. Dabei gewinnt der ungeordnete Rohzustand des Materials immer mehr an Volumen und Klarheit in Form und Gestalt. Dieser Bewegung von Innen heraus antwortet zugleich und unmittelbar die entgegengesetzte Bewegung von Außen nach Innen. Während die Bewegung von Innen Volumen und Form bestimmen, wirkt die Bewegung von Außen nach Innen auf die Oberfläche ein, die einmal glatt ein anderes Mal stark strukturiert sein kann.
Diese ereignishafte Qualität der Plastiken befreit die Bildhauerin und ihr Material von der Regel des Abbilds. Meyers Arbeiten illustrieren nicht. Es geht immer um Bewegung und Statik, Raum und Körper, die in der bewegten Materie eine unverwechselbare Einheit bilden.
