Der Ausstellungstitel passt in unsere Gegenwart, in der die Komplexität der Weltendinge jede Sicherheit und jede Erkenntnis in Frage stellt. Die Bildwelten von Heike Schwegmann bewegen sich im Spannungsfeld von exaktem Wissen und maximaler Unsicherheit. Ihre Bilder zeigen vermeintliche Alltagszenen - „Auszüge aus dem Dasein“, denen sie mit malerischen Mitteln subtil die Realität entzieht - ein Spiel mit Form und Farbe, Fläche und Raum. Dabei provozieren die ´Leerstellen` beim Betrachter ein sehr individuelles, buntes ´Kopfkino`, in dem es darum geht, sich mit den Protagonisten auf die Suche nach Antworten zu den Lebensfragen zu begeben.
Heike Schwegmanns ‚visionäre‘ Bildwelten sind absolut komprimiert und sträuben sich gegen eine inhaltliche Vereinnahmung. Dennoch erzwingen sie Gedankenspiele, Erzählungen: Einerseits ein ‚Ja, so könnte es (gewesen) sein‘, andererseits ein ‚Nein, das kann so unmöglich funktionieren‘.
Wenn es z.B. in den Arbeiten von M. C. Escher relativ schnell gelingt, die illusionäre Irreführung durch selektives Betrachten und konsequentes Verfolgen des „einen“ Bild- und Erzählstrangs zu entknoten, will das bei den Arbeiten von Heike Schwegmann überhaupt nicht gelingen. Ihre Bildwelten offenbaren keinen Erzählstrang, sie versuchen erst gar nicht Linearität, Ursache und Wirkung, darzustellen. Deshalb führt der Versuch, die punktuellen Unmöglichkeiten zu identifizieren, regelmäßig zu Rückkopplungen, die jeder Betrachter individuell mit sich aushandeln muss und die ihn zu sich selbst und seiner persönlichen Welterkenntnis führen.
Heike Schwegmanns Arbeiten erfordern vom Betrachter Zeit. Zeit, um sich langsam in das fein geknüpfte malerische Fadennetz der vermeintlichen Erzählungen einzubinden und dabei zu spüren, wie sich die Spannung beim Sehen und der Anstrengung, Verstehen zu wollen, immer stärker aufbaut. Ihre Malerei fesselt auf eine eigene, subtile Weise - intellektuell und sinnlich. Den Bildern bleibt immer etwas Geheimnisvolles anhaften.
Ihre Protagonisten und damit auch der Betrachter befinden sich in einem Spannungsraum, der die vorhergehenden und anschließenden Bilder erzwingen will um eine Erzählung entstehen zu lassen. „Ich bin keine Geschichtenerzählerin. Ich habe es probiert schon früh und immer wieder, aber es geht nicht. Ich scheitere beim Geschichtenschreiben. Ich will keine Geschichte erzählen. Ich male oder zeichne einen Auszug aus dem Dasein, vielleicht kann man besser sagen, einen Auszug aus dem Ich, wenn auch das Ich nicht ich selbst sein muss, da die Arbeiten nicht autobiographisch angelegt sind. Einen Auszug aus dem Menschsein“ - so die Künstlerin zu ihren Arbeiten.
Heike Schwegmann hat in Münster bei Mechtild Frisch studiert.
Abb.: Heike Schwegmann, Buchstaben in den Wald tragen, 2018, Aquarell auf Papier