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hl corona 1Die Macht der Bilder im Kirchenraum ist seit alters her unbestritten. Dem Glaubenden bieten sie die Möglichkeit das Irdische ins Himmlische zu transferieren, dahin, wo die Heiligen das schier Unmögliche bewerkstelligen. Die Option auf Wunder haben die Modelle des Covid-19 Virus SARS-CoV-2 nicht. Diese Bilder wechseln zwischen kosmisch-malerischer Schönheit, bedrohlichen Wurfgeschossen oder Partyigeln der 70er Jahre.

 

Von diesen gegenwärtigen Viren-Modellen und mikroskopischen Darstellungen dessen, was mit dem bloßen Auge nicht zu sehen ist, lässt sich ein Bogen hin zur abstrakten Kunst der Gegenwart spannen. Die soeben geschlossene Galerieausstellung „Biotopia“ mit der aktuellen Werkgruppe von Matthias Pabsch ist hierfür ein beredtes Beispiel.

 

Bereits in der Ausstellung „Cosmos“ in 2017 setzte sich Pabsch in seiner Trace-Serie mit der Ästhetik technisch bildgebender Verfahren wie Mikroskop, Teleskop oder Wärmebildkamera auseinander, die dem menschlichen Auge Verborgenes erschließen. Mit dem Mikroskop wird immer kleineres sichtbar, das Teleskop rückt Entferntes nahe, die Wärmebildkamera gibt dem menschlichen Auge verborgenen Wellenlängen eine Farbe – der Mensch bestaunt das im Alltag unbeachtete Unsichtbare.


coronavirusDie Frage nach den Visualisierungstechniken der Wissenschaft erlangt große Aktualität durch die rasante Entwicklung der jüngsten Medien- und Informationssysteme und die zunehmende ‚Piktorialisierung‘ der Wissenschaft. Aber eben auch durch die Verbildlichung unseres Alltags.

 

Dieses Interesse am Bild zeigt dabei eine – nur scheinbar paradoxe – Konstellation. Während in der Kultur und Wissenschaft von einem pictorial turn die Rede ist, wird in der abstrakten Kunst von einem Ausstieg aus dem Bild gesprochen. Beide Bewegungen treffen sich aber in einem Fluchtpunkt: den Bildern jenseits des Bildes.

 

Pabsch Biotopia 2020 s 72dpiDieses Phänomen wurde in der jüngsten Ausstellung „Biotopia“, besonders mit der Lichtinstallation „Bioscape 012“ oder der Lichtinstallation „Bioscape (Modulation)“, die Pabsch 2019 erstmals in der Fondation Svisse / Pavillion de Corbusier in Paris präsentierte, skulptural und medial erweitert.

 

Beide Arbeiten bieten verschiedene Wahrnehmungsebenen - von einer sachlich-nüchternen Lesart mikroskopischer Ereignisse bis hin zu jenem poetischen Fluchtpunkt in dem sich die Bilder jenseits des Bildes verdichten.

 

Matthias Pabsch verhandelt in seinen Arbeiten diese Wechselwirkungen zwischen Natur und Kultur und erschafft mit künstlerischen Mitteln skulpturale, fotografische und malerische Formen, die – in bildnerischer Schönheit – diese komplexen Weltenwirklichkeiten erfahrbar machen.

 

pabsch 82In der Februar Ausgabe der Zeitschrift „Dritte Natur. Technik – Kapital – Umwelt“ (Matthes & Seitz, Berlin) gibt uns Matthias Pabsch erhellende Einblicke in sein Schaffen. Im Aufsatz „Naturkultur. Wie Kunst und Wissenschaft voneinander sehen lernen“ legt er dar, wie seit dem 19. Jahrhundert die Ästhetik der Natur die Kunst inspiriert hat und wie sehr diese Rückkopplung von den Möglichkeiten der wissenschaftlichen Sichtbarmachung der Naturphänomene abhängig ist. Umgekehrt erfahren Naturwissenschaftler durch die Anschauung von Kunst wesentliche Impulse für neue Sichtweisen und Fragestellungen.

 

Gudrun Pamme-Vogelsang; 25. März 2020

Abb. (vonu): Hl. Corona, Pilgerzeichen aus Blei, um 1400, Focke Museum Bremen, ©wikimedia commons; Matthias Pabsch, Trace Cosmos (2017/2), 2017, Acryl und Kunstharz auf Aluminium, © Matthias Pabsch/Gudrun Pamme-Vogelsang, 2017; Modell des Coronavirus SARS-CoV-2,  © wikimedia commons; Installationsansicht: Matthias Pabsch, Bioscape (012), 2019, farbiges Acrylglas, © Matthias Pabsch/Gudrun Pamme-Vogelsang, 2020; Matthias Pabsch, Trace Cosmos (2017/14), 2017, Acryl und Kunstharz auf Aluminium, © Matthias Pabsch/Gudrun Pamme-Vogelsang, 2017