WANDERING IN BETWEEN
Die Lust am Malen in einem Wegenetz voller Kreuzungen
Mir hat der Titel sofort ausgesprochen gut gefallen.
Anders als in vielen Œuvre wo die Arbeiten nur nummeriert sind oder mit “ohne Titel” bezeichnet werden, haben die Werktitel der Arbeiten von Bart Vandevijvere eine explizite Bedeutung. Häufig referenzieren sie eine bestimmte Musik wie z.B. „Cubes for Joachim Kühn“ oder „Lines for Joëlle Léandre“. Gelegentlich beziehen sie sich auf eine Welt oder auf die Welt: „The Collapse of Symbiosis“ oder „Embracing the Circumstances“. Immer aber geben sie genügend Raum für den jeweiligen Betrachter.
Das Gemälde
Der Titel ‘Wandering in Between’ öffnet einen weiten Raum.
‚Wandering‘, Herumgehen, das ist eine Tätigkeit, ein Wandern, ein Spaziergang, ein Umherziehen, Laufen. Herumgehen ist aktiv und physisch. Herumzugehen verspricht eine gewisse Langsamkeit. Während des Gehens ist Gelegenheit zum Schauen, Denken, Philosophieren.
‚In between‘, dazwischen, beinhaltet Gegensätze, zwischen denen der Weg liegt. So entsteht ein Ort zwischen Intuition und Erkenntnis, Intimität und Distanz, Nähe und Ferne, Verzweiflung und Hoffnung, Erfüllung und Sinnleere.
Das Gemälde ‘Wandering in Between’ (2017) ist eine große Leinwand (130 auf 160 cm), bemalt mit Acryl und Wasser, beseelt von Musik als einem Grundbaustein. Wie aber lässt sich mit Leinwand, Farbe und Form komponieren? Wollen wir doch mal das Bild mit unseren Sinnen erwandern. Die Wanderung folgt dem vorsichtigen Gebrauch von Farbe hin zu einer größeren Dichte in einem roten Dreieck. Ausgehend von geometrischen Formen führt sie zu organischen Mustern, die kontrolliert gesetzten Striche weichen spontanen Farbflecken. Scheinbar liegen mehrere Farbschichten übereinander, doch zu sehen ist nur die weiße Oberfläche der grundierten Leinwand.
Die Dreiecke und die rechteckigen Flächen in der Mitte taumeln durch den Raum. Ein Anflug von Perspektive zieht den Blick nach oben. Die Geometrie teilt den Hintergrund. Gelegentlich scheint es, als sei der hintere dunkle Raum zuerst da gewesen, und die spielerisch gesetzten Farbflächen später hinzugekommen. Die Farbe ist abgewaschen, tränt die Leinwand herunter oder zeigt sich in breiten Pinselstrichen. An manchen Stellen fühlt sich die Farboberfläche wie Samt an, dann wieder wie Baumrinde oder wie ein ausgewaschenes Gemäuer. Die ebene Oberfläche der Leinwand wird zu einem Raum, in den sich hineinsehen lässt. Beim ‚Betreten‘ des Gemäldes zieht es uns in die Bewegungen während des Malens; der Künstler erschafft das Gemälde von Innen nach Außen, der Betrachter betritt das Werk von Außen, um in sein Inneres vorzudringen.